WIE REGULIERE ICH MEIN NERVENSYSTEM BEI STRESS?

Was ist der Vagusnerv – und warum er so wichtig ist

Im Moment lese ich viel über Stress und darüber, dass viele Menschen dauerhaft unter Strom stehen. Es gibt jede Menge zu tun, die Reize strömen von allen Seiten auf uns ein, und soziale Medien sowie die ständige Erreichbarkeit über unser Handy leisten ihren eigenen Beitrag dazu.



Wie reagiert unser Nervensystem darauf – und wie können wir es regulieren?
Dazu braucht es erstmal ein grobes Verständnis darüber, was im Körper überhaupt abläuft, wenn wir Stress empfinden. Denn Stress ist nicht gleich Stress. Für jeden fühlt er sich anders an, und jeder reagiert anders.



Ich sag dir mal ein Beispiel aus meinem Leben:

Nachtdienst im Krankenhaus.
Für manche ist das der tollste Dienst im Schichtsystem, für mich war es immer Error fürs Nervensystem.

Ich bin Heilpraktikerin und Krankenschwester. In meiner Studienzeit vor 40 Jahren – damals war ich 18 – hatte ich meinen ersten Nachtdienst, allein auf einer Gyn-Station. In einem sehr, sehr alten Krankenhaus, direkt unter dem Dach.

Die Spätschwester ging mit den Worten:
„Anja, schließ die Eingangstür ab, letzte Woche ist die Laborassistentin im Nachtdienst überfallen worden. Ruhigen Dienst – wenn was ist, ruf mich an.“

Ich schluckte.

Die Flure waren dunkel und verwinkelt. Überall knackte es – die schrägen Dachbalken arbeiten ja bekanntlich auch nachts.

Es war das erste Mal, dass ich allein im Dienst war. Ich hatte meinen ersten Rundgang gemacht, alles war ruhig. Ich saß im Dienstzimmer, hörte Radio – als es im Flur unheimlich knackte.

Ich schreckte hoch. Kein Schritt. Kein Geräusch vorher.
Hatte sich jemand versteckt? Verwinkelt genug war der Flur ja.

In meinem Kopf ging die Post ab. Mein System spielte völlig verrückt.

Dennoch ging ich langsam zur offenen Tür – Reflexhammer in der einen, Spray in der anderen Hand. Mein Herz schlug bis zum Hals, Kino im Kopf in Breitband und Farbe.
Mein Mund trocken. Zunge dick. Knie weich wie Watte. Zittern am ganzen Körper.

Dann trat ich laut rufend aus der Tür:
„Haaa…!“

… nichts.

Gar nichts.

Und dann musste ich schallend lachen.

Was ist da passiert?

Alles, was ich dir erzählt habe, lief überwiegend in meinem Kopf ab – in meiner sehr lebendigen Fantasie.
Nichts von dem, was mein inneres Kino gezeigt hat, ist real passiert. Und trotzdem hat mein Körper reagiert, als wäre ich in akuter Lebensgefahr gewesen. Man, das war eine Nacht.

Und genau hier kommen wir zum Nervensystem.
Und zum Vagusnerv.

Was ist der Vagusnerv?

Der Vagusnerv ist der zehnte Hirnnerv und einer der wichtigsten Kommunikationswege zwischen deinem Gehirn und deinem Körper. Sein Name kommt vom Lateinischen „vagari“umherschweifen. Und das trifft es ziemlich gut.

Er zieht vom Gehirn über Hals und Brustraum bis tief in den Bauch hinein und verbindet dabei unter anderem:

  • Herz

  • Lunge

  • Magen

  • Darm

  • Leber

  • Bauchspeicheldrüse

Der Vagusnerv ist der Hauptnerv des parasympathischen Nervensystems – also des Teils, der für Ruhe, Regeneration, Verdauung, Heilung und Sicherheit zuständig ist. Der Parasympathikus gehört zum Autonomen Nervensystem und wie der Name schon sagt, kannst du ihn nicht willentlich steuern.

Merke:
Der Vagusnerv ist dein innerer Beruhiger.

Der Vagusnerv liebt , Entspannung, Umarmung, sichere Beziehungen

Sympathikus vs. Parasympathikus – Gas und Bremse

Unser vegetatives Nervensystem besteht grob aus zwei Gegenspielern:

  • Sympathikus → Aktivierung, Leistung, Kampf oder Flucht

  • Parasympathikus → Entspannung, Verdauung, Regeneration

Beide sind wichtig. Problematisch wird es, wenn wir zu lange im Sympathikus festhängen.

Und genau das passiert heute extrem häufig.

Was ist in meinem Nachtdienst-Beispiel passiert?

Objektiv betrachtet:
Es war ruhig. Niemand war da. Keine reale Gefahr. Alles war in meinem Kopf.

Subjektiv – in meinem Nervensystem:
🚨 Alarmstufe Rot

Mein Gehirn konnte nicht unterscheiden zwischen:

  • „Ich stelle mir gerade etwas vor“
    und

  • „Ich bin wirklich in Gefahr“

Und jetzt wird’s spannend. Das komplette Stressprogramm wurde hochgefahren:

  • extrem ansteigende Herzfrequenz

  • Blutdruck steigt

  • Atmung wird flach

  • Verdauung stoppt

  • Muskeln spannen sich an, was mir einen Muskelkater bescherte

  • Sinne auf Hochleistung

Das ist evolutionär sinnvoll.
Aber: Mein Vagusnerv hatte keine Chance, mich zu beruhigen – er wurde schlicht überstimmt.

Warum Stress heute so tückisch ist

Früher war Stress meist kurz und konkret:
Gefahr → Reaktion → Entspannung.

Heute ist Stress oft:

  • diffus, dauerhaft, emotional, mental

E-Mails. Termine. Nachrichten. Erwartungen. Multitasking. Vergleich.
Und unser Nervensystem reagiert genauso, als würden wir nachts allein in einem dunklen Krankenhaus stehen. Und? Erkennst du dich wieder?

Der Körper unterscheidet nicht zwischen:

  • echter Bedrohung, Gedankenkino oder emotionalem Dauerstress

Und wenn das zu lange anhält, passiert Folgendes:

  • Der Vagusnerv verliert an „Ton“

  • Entspannung fällt schwer

  • Schlaf wird oberflächlich

  • Verdauung leidet

  • Hormone geraten aus dem Gleichgewicht

  • Wir fühlen uns innerlich ständig angespannt oder erschöpft

Gerade in den Wechseljahren ist das ein riesiges Thema.

Überlastung durch Gedankenkino und Grübelein, Sorgen

Was beeinflusst den Vagusnerv?

Der Vagusnerv reagiert besonders sensibel auf:

🔹 Gedanken & innere Bilder

Dein innerer Dialog ist mächtig. Sehr mächtig.

🔹 Atmung

Flache, schnelle Atmung schwächt den Vagusnerv.
Tiefe, ruhige Atmung stärkt ihn.

🔹 Verdauung & Darm

Der Darm ist eng mit dem Vagusnerv verbunden. Stress schlägt direkt auf den Bauch.

🔹 Berührung & Nähe

Umarmungen, Körperkontakt, Massagen wirken vagusstimulierend.

🔹 Stimme & Klang

Summen, Singen, ruhige Stimmen aktivieren den Vagusnerv.

🔹 Sicherheit & Vertrauen

Das Gefühl „Ich bin sicher“ ist der wichtigste Trigger für Entspannung.


Gute Nachricht: Du kannst deinen Vagusnerv aktiv stärken

Und jetzt wird’s praktisch.
Denn dein Nervensystem ist lernfähig. Ein Leben lang.

Es geht nicht um „noch eine Aufgabe“.
Sondern um kleine, machbare Impulse, die du in deinen Alltag integrieren kannst.

1️⃣ Die Atmung – dein direktester Zugang

Übung: Verlängerte Ausatmung

  • Atme 4 Sekunden ein

  • 6 sek. halten

  • Atme 6–8 Sekunden aus

  • 5 Minuten

Die lange Ausatmung aktiviert den Parasympathikus sofort.

Tipp für den Alltag:
➡️ Beim Warten, im Auto, vor dem Einschlafen.

2️⃣ Summen, Singen, Gurgeln

Ja, wirklich.

Der Vagusnerv innerviert die Stimmbänder.
Vibration wirkt direkt beruhigend.

Mini-Übung:

  • Summe 1–2 Minuten tief und gleichmäßig

  • Oder gurgle morgens & abends mit warmem Wasser

Unauffällig. Effektiv. Kostenlos.

3️⃣ Kälte – sanft eingesetzt

Kälte stimuliert den Vagusnerv über den Tauchreflex.

Alltagstauglich:

  • Gesicht morgens mit kühlem Wasser abspülen

  • kalten Waschlappen auf Wangen & Nacken

Nicht brutal. Sondern bewusst.

4️⃣ Berührung & Druck

Sanfter Druck am Hals, Brustbein oder Bauch wirkt regulierend.

Übung:

  • Lege eine Hand auf dein Herz

  • Eine auf den Bauch

  • Atme ruhig für 2–3 Minuten

Der Körper spürt: Ich bin da. Ich halte mich.

5️⃣ Bewegung in Langsamkeit

Nicht jede Bewegung muss Leistung sein.

  • Spaziergänge

  • sanftes Yoga

  • achtsames Dehnen

  • rhythmisches Gehen

Der Vagus liebt Rhythmus ohne Ziel.

6️⃣ Soziale Sicherheit

Der Vagusnerv reagiert auf Verbindung.

Ein gutes Gespräch.
Ein ehrliches Lachen.
Ein Blickkontakt.

Das Nervensystem reguliert sich in Beziehung.

Ein paar beim Winterspaziergang

Warum das Lachen damals so wichtig war

Als ich nach meinem „Haaa…“- Moment lachen musste, ist etwas Entscheidendes passiert:

Mein Nervensystem bekam die Rückmeldung:
👉 Gefahr vorbei.

Lachen, Weinen, Zittern – all das sind natürliche Entladungsmechanismen.
Wir haben sie nur verlernt oder unterdrückt.

Eckhard Tolle hat in einem seiner Bücher geschrieben:
Enten die eine Auseinandersetzung haben, schwimmen danach in verschiedene Richtungen, schütteln sich und kommen so wieder ins Gleichgewicht. Sie schwimmen nicht zurück, um wieder und wieder darüber zu diskutieren. Geklärt, geschüttelt und vergessen.

Das gefällt mir.

Regulation ist kein Luxus – sie ist notwendig

Nervensystemregulation heißt nicht immer ruhig sein, nie Stress haben oder immer perfekt reagieren, das würde ja auch schon Stress machen.

Sondern:
👉 wieder zurückfinden
👉 den Körper mitnehmen
👉 Sicherheit im Inneren aufbauen

Gerade für Frauen in fordernden Lebensphasen – Wechseljahre, Familie, Beruf, Verantwortung – ist das kein Nice-to-have, sondern essenziell. Meine lieben Schwestern, ihr wisst hoffentlich was ich meine.

Zum Mitnehmen

  • Dein Nervensystem reagiert auf das, was du denkst, fühlst und erlebst

  • Der Vagusnerv ist dein wichtigster Verbündeter für Ruhe und Heilung

  • diese kleinen Übungen, täglich angewendet, machen einen großen Unterschied

  • Sicherheit ist der Schlüssel – nicht Kontrolle

Und manchmal reicht es schon, laut zu lachen, wenn das innere Kino wieder Überstunden macht.

Lachen ist gesund. Eure Anja

Weiter
Weiter

„Stark durch den Winter: Wie Vitamin C, Glutathion & ATP Infusionen dich vor Stress, Infekten und winterlicher Erschöpfung schützen“